«Jetzt sind wir hier und es wird richtig cool»

Kannst du bitte erzählen, wie du heißt, in welchem Jahr du Freiwillige warst und in welchem Projekt?

Ich heiße Susi und ich war Freiwillige im Jahr 2013 und 2014 und ich war Freiwillige im Projekt in Pawlowsk im Kinderheim Nummer 4.

Warum hast du dich entschieden für deinen Freiwilligendienst nach Russland zu fahren und nicht in ein anderes Land?

Das war sehr spontan, aber auch nicht spontan. Es war lange klar, dass ich sowas machen möchte und ich war mir immer sicher, dass ich im Ausland nach der Schule was arbeiten möchte. Aber ich wusste nicht genau wo, aber ich wusste, dass ich es eher in Osteuropa machen möchte. Weil ich das ganze schon aus Familienurlauben kannte und es sehr gerne mag und dann habe ich mich einfach bei der Organisation beworben. Die haben mich gefragt, ob ich mir auch vorstellen könnte nach Russland zu gehen und dann habe ich nicht überlegt sondern habe einfach „Ja" gesagt und das so entschieden.

Hast du dir auch selbst ausgesucht, deinen Freiwilligendienst mit Kindern statt mit Erwachsenen zu machen?

Das hat die Organisation für mich entschieden, sie haben mich gefragt ob ich nach Russland möchte und haben dann quasi das Projekt zugewiesen. Allerdings haben sie vorher auch ein Gespräch geführt und da habe ich vermutlich gesagt, dass ich mir eine Arbeit mit Kindern vorstellen kann. Dann haben sie nach dem Gespräch auch noch gar nicht gesagt wohin ich komme, das kam erst einige Zeit später mit einem Brief, da stand es dann drin.

Hattest du Ängste vor deiner Reise nach Russland oder war dir klar, dass alles passen wird?

Ich hatte keine Angst, aber ich war sehr sehr aufgeregt, ich war damals 18 Jahre alt und wusste überhaupt nichts über Russland, ich kannte niemanden aus Russland, konnte die Sprache nicht und wusste gar nichts darüber, also wirklich gar nichts. Also war das ein großes Abenteuer. Das ging auch alles relativ schnell von der Bewerbung bis ich dort war, also gab es nicht so viel Zeit, um Angst zu haben.

Kannst du dich an deinen ersten Tag in Sankt Petersburg erinnern? Wie du nach Russland gekommen bist?

Ja, das war damals so. Wir sind mit der Gruppe von Freiwilligen schon einmal nach Sankt Petersburg geflogen für eine Woche. Damit wir die Projekte schon mal kennen lernen können und das Personal von Perspektivy. Wir sind damals von Berlin mit dem Flugzeug dorthin geflogen mit unserer Koordinatorin aus Deutschland. Für mich war das eindrucksvollste der Flug überhaupt an sich und der Flughafen, die Stadt war so groß und alles war groß und die weiten Strecken die man fährt das waren ganz ganz viele Einflüsse. Wir waren in so einem Gebäude von Perspektivy in dem Familienzentrum und da muss ich immer an die Metrostation dort denken. Als wir diesen Weg gelaufen sind und man dachte es ist ein weiter Weg von der Station zu Zentrum und man dachte es sei ein weiter Weg und dann hat man gelernt, dass es ein ganz normaler Weg ist. Diese Einflüsse, an diese kann ich mich gut erinnern.

Hast du danach deine Anreise für den Freiwilligendienst gespannt erwartet oder hattest du nach dem ersten Eindruck weniger Lust auf Sankt Petersburg?


Das weiß ich nicht mehr so gut. Ich kann mich aber an den ersten Eindruck in dem Kinderheim erinnern. Da waren wir auch an dieser Woche. Ich wollte schon auf jeden Fall zurück, aber hatte mehr Respekt. Weil man auch besser wusste wie es ist, wie die Stadt ist, wie fremd alles ist. Aber ich hatte ja dann auch die anderen Freiwilligen kennen gelernt und das war ein Pluspunkt, dass man Lust hatte was mit denen zu machen.

Was denkst du über deine Zeit im Kinderheim? Hat sich in der Zeit viel verändert, wie haben sich die Kinder entwickelt?

Ja, natürlich haben einige Kinder sich entwickelt, aber vor allem hat man gemerkt, wie die Kinder mich selbst kennen lernen und wir besser kommunizieren können. Auch weil ich gelernt habe, wie ich mit ihnen kommunizieren kann. Die Kinder, mit denen ich gearbeitet habe, waren sehr schwach, haben sich also nicht in diesem Jahr viel entwickelt, aber auf der sozialen Ebene haben wir uns alle entwickelt.

Was war das wichtigste, das du in diesem sozialen Jahr gelernt hast?

Das wichtigste ist schwierig, aber ich glaube, ich habe sehr viel Selbstbewusstsein bekommen, einfach Mut mal das auszuprobieren, ob es klappt. Meistens hat es auch geklappt. Das konnte ich auch so mitnehmen für mein Leben und mache manches ohne so viel darüber nachzudenken. Und später denke ich so „oh wie konnte ich mich das überhaupt trauen", aber es hat halt geklappt. Das habe ich aus dieser Zeit mitgenommen, weil man das oft da so machen musste sich so zu trauen. Ich habe dann Heilpädagogik studiert, das habe ich natürlich mitgenommen, dass ich mit Menschen mit Behinderungen arbeiten möchte, das habe ich davor nicht gewusst. Also ich hatte gar keinen Kontakt zu Behinderungen in meinem Leben und habe mich aufgrund des Jahres dafür entschieden.

Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Freiwilligen oder auch Leuten aus dem Kinderheim?


Ich habe noch sehr gute Freunde von damals. Mit denen ich regelmäßig Kontakt habe und wir uns treffen. Die waren auch immer sehr wichtig, weil viele Dinge, die dort passierten, nicht jeder nachvollziehen kann, und die anderen können das nachvollziehen. Die sind quasi wie Familie - familiäre Freunde. Ich war dann nach meinem Studium noch einmal im Kinderheim für ein Jahr in 2018. Deswegen habe ich guten Kontakt oder könnte zumindest jeder Zeit den Kontakt erstellen. Es ist mal mehr mal weniger.

Weiß du noch wie es jetzt den Kindern geht, mit denen du gearbeitet hast?


Die Kinder sind jetzt bald alle 18 Jahre alt. Das heißt, sie gehen in eine Behinderteneinrichtung für erwachsene Menschen. Ich weiß schon, wie es ihnen geht, aber ich habe auch entschieden, dass ich, wenn sie nicht mehr im Kinderheim in Pawlowsk sind, es nicht mehr nachverfolgen möchte. Das Kapitel ist dann für mich zu Ende. Es ist auch sehr emotional zu sehen, wie es den Kindern dann an einem anderen Ort vielleicht geht. Bisher weiß ich aber noch, wie es denen geht und viele haben auch gute Bedingungen jetzt dort. Es ist auch von der Bildung viel besser geworden dort. Also den Kindern geht es gut, denke ich.

Hast du noch Kontakt zum ICE (Initiative Christen für Europa) oder zum deutschen Verein Perspektiven?

Ich habe zum Beispiel für den ICE später auch noch Sachen hin und her geschafft, wenn ich später nochmal in Sankt Petersburg war oder habe auf Seminaren mitgeholfen. Habe etwas über Russland erzählt in Dresden. Ich wohne in Chemnitz und dann ist es nicht so weit, da habe ich sie dann auch ab und an besucht. Mit Perspektiven, da hatten wir ja auch letztens den Filmabend online, da war ich mit dabei. Das war auch cool, weil ganz viele Freiwillige dabei waren, die man länger nicht gesehen hat. Ich habe mich zum Beispiel dazu entschieden, eine Dauerspende für Perspektiven einzurichten. Sonst habe ich noch Kontakt zu den Koordinatoren und Freiwilligen.

Hast du dich in Russland schnell eingelebt oder hat das Ankommen lange gedauert?

Erstmals war das einfach so ein Abenteuer und das war gar nicht so schlimm, ich habe mich in alles reinversetzen können und hatte auch Lust darauf. Das war also keine Hürde für mich. Wir hatten auch russische Freiwillige, die uns viel geholfen haben, gezeigt haben, wo der nächste Laden ist etc. Außerdem waren wir nie alleine sondern mit anderen Freiwilligen und ich glaube wir haben immer gesagt, dass wir uns nach einem halben Jahr so richtig gut gefühlt haben, uns ausgekannt und sicher gefühlt haben mit allem. Ein halbes Jahr ist eine Lange Zeit, aber irgendwie auch nicht. Es ging schon richtig schnell und war auch nicht schlimm sondern ein richtiges Abenteuer.

Was ist deine schönste Erinnerung aus Sankt Petersburg? Welcher Moment kommt dir da jetzt spontan in den Sinn?

Der schönste Moment ist ein Tag im September 2014. Ich glaube am 07.09 oder so als wir angekommen sind. Koordinatorin hat uns am Bahnhof, ich weiß gar nicht genau welcher, abgeholt. Wir sind ja mit dem Bus gekommen. Bis zum Bahnhof muss man ja erst eine Weile durch die Stadt fahren mit dem Bus. Und da ist dann die Sonne aufgegangen und es war ganz tolles Licht. Dann standest du draußen und das war richtig ergreifend und richtig schön. Auch etwas kitschig vielleicht, aber auch sehr schön. Wir sind lange gefahren, 36h glaube ich und dann wusste man, jetzt geht es los! Die ganze Vorbereitung ist vorbei, jetzt sind wir hier und es wird richtig cool.

Was würdest du zukünftigen Freiwilligen mit auf dem Weg geben wollen?

Ich würde sagen, dass es wichtig ist sich etwas zuzutrauen und Dinge zu tun bei denen man noch nicht weiß, dass man sie kann. Außerdem sollte man sich auf die sozialen Kontakte, Freunde und Mitarbeiter verlassen und sich auch Hilfe suchen, wenn man sie braucht. Und man sollte es zulassen, dass es manchmal schwierig ist, aber auch genießen wie cool es einfach ist und dass es ein einmaliges Lebensevent ist. Das kommt so in der Form nicht wieder und auch die Möglichkeiten, wenn man von Sankt Petersburg spricht als Stadt, dort die Möglichkeiten zu nutzen so auch die Freiheit – ich glaube es ist eine große Freiheit

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