Du warst eine Teilnehmerin des Programms Das Freiwillige Soziale Jahr in Deutschland. Wo verbrachtest du es und was war deine Arbeit?
Ich war 2011-2012 in Deutschland eine Freiwillige, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Stuttgart – in einer Stätte, wo Menschen mit Mehrfachbehinderungen wohnten. Ich arbeitete damals bei «Perspektivy» als Büroleiterin. Ich studierte abends, sollte bald das Studium absolvieren. Und als ich über dieses Programm erfahren hatte, dachte ich: „Warum nicht. Es gibt nichts außer Arbeit, was mich jetzt in Sankt Petersburg hält". Ich kam nach Hause, erzählte es den Eltern. Sie unterstützten meinen Wunsch, dieses Jahr abzuleisten. Und so beschloss ich, am Qualifikationsseminar teilzunehmen.
Und hattest du schon mit dem Ehrenamt verbundene Erfahrungen?
Ja, auch im sozialen Bereich, aber es war nicht mit Menschen mit Mehrfachbehinderungen verbunden. Mit einer meiner Bekannten, mit der wir studierten, half ich in einem Kinderheim in Volosovo -- es liegt ungefähr zwei Stunden von Sankt Petersburg entfernt. Wir organisierten Veranstaltungen und Feste, beschäftigten uns ein bisschen mit der Spendensammlung, suchten Bewirtungen für diese Feste, luden Künstler ein, unterhielten uns mit Kindern. Ein paar Jahre war ich darin tätig.
War es schwierig, an der Auswahlmaßnahme für dieses Projekt teilzunehmen und wie verlief sie?
Es gab ein Qualifikationsseminar, es dauerte, glaube ich, ein paar Tage, und dort waren andere Freiwillige und wohl auch einen Wettbewerb, aber ich erinnere mich daran schon nicht so richtig... Gab es einen Wettbewerb oder nicht, Shenja? Wir beide waren ja dabei.
Es gab einen Wettbewerb. Es gab zwei Qualifikationsrunden. In der ersten waren es sehr viele Menschen, in der zweiten konnten wir schon ungefähr vermuten, wer bleibt.
Aus irgendeinem Grund war ich selbstbewusst, weil ich wohl schon bei Perspektivy gearbeitet hatte, und ich hatte das Gefühl, dass ich bei diesem Seminar gut abschneide. Obwohl ich natürlich aufgeregt war. Wir lösten verschiedene Aufgaben. Es gab Einzel - und Gruppenarbeit und kreative Aufgaben. Es war etwas Neues, ich habe noch nie an so etwas teilgenommen. Damals war ich ziemlich schüchtern, und für mich war es ein Schritt aus der Komfortzone raus. Andererseits war es interessant.
War es schwierig?
Im Großen und Ganzen nicht, aber ich wiederhole, für mich war es ein Schritt aus der Komfortzone, deswegen war es – nach meinen Empfindungen – schwierig. Besonders einige Aufgaben, wo Szenen zu spielen waren... Und die letzte Aufgabe. Jetzt führe ich diese Seminare selbst durch und mag die letzte Aufgabe nicht, ich mache mir um die Leute Sorgen. Wenn man jedem Geld gibt und ich mich erinnere, dass ich damals nichts erhielt.
Decke das Spiel nicht auf…
Ich decke das Spiel nicht auf, aber ich möchte sagen, dass es für mich wirklich eine traurige Aufgabe war, weil ich Zeit dafür brauche, um mich mit Menschen zu befreunden, sie kennenzulernen. Und weil ich zu der Zeit gestresst war, lernte ich fast niemanden kennen und knüpfte keine „Kontakte".
Es ist ganz normal! Sage bitte, was fühltest du, als es klar wurde, dass du nach Deutschland reist? Und wie reagierte man in deinem Umfeld darauf?
Ich war sehr froh, aber gleichzeitig sehr aufgeregt, weil dieses Gefühl, wenn man nicht weiß, was weiter passiert, was kommt, immer aufregend ist. Und meine Umgebung… Ich glaube, sie verstanden nicht ganz, worauf ich mich einließ. Nur die Eltern unterstützten mich, während alle anderen fragten: „Ein Freiwilliges Jahr? Und deine Karriere nach dem Studium?! Möchtest du nicht Geld verdienen und weiter etwas tun?" Bis jetzt ist es nicht breit bekannt, und früher hatte man umso mehr keine Ahnung, dass es Freiwilligen-Programme im Ausland gibt, die finanziert werden, und dass man auch das Taschengeld, die Unterkunft zur Verfügung bekommt und nicht nur anderen hilft, sondern auch sich selbst entwickelt.
Erzähle bitte, welche Deutschkenntnisse hattest du zu dieser Zeit?
Eigentlich hatte ich nie vor, Deutsch zu lernen, und wollte es auch nicht. Ich lernte immer Englisch, Deutsch kam mir sehr grob vor. Ich begann erst vor der Abreise Deutsch zu lernen und konnte in dem Moment nur so viel wie: „Hallo. Wie geht's?" Vor der Abreise hatte ich das Niveau A1. Wir hatten einen Sprachkurs in Deutschland, und im Projekt, wo ich Freiwillige war, war ein Sprachkurs, dieser war aber ziemlich seltsam. Ich glaube, dass ich nur in sechs Monaten zu sprechen begann, nachdem ich zu Neujahr nach Hause gefahren war, dann zurückkehrte - und es kam mir vor, als ob ich eine neue Begabung erhalten hätte. Alles bekam einen Sinn und es wurde leichter. Früher war es ohne Sprachkenntnisse schwieriger. Nicht alle Mitarbeitenden, besonders die älteren, in einem kleineren Dorf, wo ich war, sprachen Englisch.
Meinst du, wenn man sich traut, ein solches Freiwilliges Jahr in Deutschland zu verbringen, muss man wenigstens etwas Deutsch lernen?
Ja, ich denke, dass es für die Person selbst wichtig ist, damit man schnell integriert und sozialisiert wird und die vorhandene Zeit in vollem Maße genießen kann.