Wieso hast du dich dazu entschieden Freiwillige zu werden?
Ich wollte Freiwillige werden, weil der Umgang und die Arbeit mit Menschen mir Freude machen. Mich hat besonders die Möglichkeit gereizt, Menschen aus einer anderen Kultur und mit einer anderen Mentalität kennenzulernen.
Hattest du bereits Erfahrung im Ehrenamt/in der freiwilligen Arbeit?
Ich bin auf eine christlich-protestantische Allgemeinschule gegangen – im Mittelpunkt stand dort die Zusammenarbeit mit Menschen und die aktive Teilnahme an außerschulischen Prozessen und Bildungsfahrten. Deshalb würde ich sagen, ja.
War das Auswahlverfahren für dich schwierig?
Zuerst war ich sehr verunsichert, doch als ich dann da war und die anderen Teilnehmerinnen und Organisatoren kennengelernt habe und gemerkt habe, dass alle dort echt großartige Leute sind, habe ich mich entspannt. Ich habe dann völlig vergessen, dass es ja eigentlich ein Auswahlverfahren ist.
Erzähl uns von deinem Freiwilligen-Aufenthalt bei ICE: Gab es Schwierigkeiten, Zweifel und Ängste?
Nachdem ich nach einem Monat Intensivsprachkurs an meinem Arbeitsplatz ankam, war ich ein wenig enttäuscht von meinem Deutsch und davon wie die meisten Deutschen mit meinem mangelnden Deutschkenntnissen umgegangen sind – nämlich gar nicht. Nur wenige Menschen haben versucht, mir etwas langsam und einfach auf Hochdeutsch zu erklären, aber auch das war wirklich schwierig zu verstehen. Ich empfehle euch: Lernt Deutsch, bevor ihr nach Deutschland kommt. Und denkt daran, dass mit euch immer wieder im Dialekt gesprochen wird.
Ah, noch was, das war in der Einführungswoche, wir hatten einen Selbstverteidigungskurs und da habe ich mich gefragt „Wieso eigentlich so ein Kurs?" und vergaß es schnell wieder. Aber am zweiten Arbeitstag ist es mir wieder eingefallen und fand selbst die Antwort. „Es kann einem an der Kleidung oder den Haaren gezogen werden oder man wird plötzlich angeschrien, gebissen oder getreten, wenn man es nicht erwartet."
Anfangs war es ein Schock für mich, aber allmählich gewöhnte ich mich an plötzliche Stimmungsschwankungen der Bewohner und reagierte ganz anders darauf. Und jetzt kann ich sagen, dass ich wahnsinnig froh bin, dass ich diese Erfahrung gemacht habe, denn die erlernten Fähigkeiten helfen mir wirklich, auf Unerwartetes vorbereitet zu sein. Einerseits könnte man sagen, dass ich einen professionellen Umgang mit dem Verhalten bestimmter Menschen in bestimmten Situationen entwickelt habe und nicht für alle Menschen per se, anderseits habe ich gelernt, Menschen zu verstehen und nachempfinden zu können, die sich meist so unberechenbar wie es nur geht verhalten und sehr unverständlich reden (wenn sie überhaupt reden). Dabei habe ich auch irgendwie gelernt, mich selbst zu verstehen. Ich bin sehr froh, dass ich dieses Programm gefunden habe, denn die Zeit weg von zu Haus und dem Gewohnten ist sehr ermächtigend und hilft, viele scheinbar einfache Dinge anders zu sehen, mit Stereotypen zu brechen und diese zu überdenken, in die Kultur einzutauchen und zu versuchen, ein Teil von ihr zu werden.
Wie hast du dein Freiwilliges Jahr verbracht? An welchem Ort warst du? In was für einem Projekt hast du geholfen und was hast du dort gemacht?
Ich habe in Schwäbisch-Hall gewohnt, ein Städtchen in der Nähe von Stuttgart. Ich habe meinen Freiwilligendienst bei der gemeinnützigen Organisation Sonnenhof gemacht. Sonnenhof arbeitet mit Menschen mit Behinderung allen Alters. Ich habe ehrenamtlich in einer Wohngruppe von Jugendlichen zwischen 12 bis 22 Jahren gearbeitet.
Zu meinen Hauptaufgaben an meinem Arbeitsplatz gehörte die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und die Freizeitgestaltung mit ihnen. Manchmal, da muss ich ehrlich sein, war es sehr schwer, weil die Kinder verschiedene Krankheiten haben, und das wirkt sich zeitweise auf ihr Verhalten aus. Aber trotzdem hat die Menge an positiven Aspekten geholfen, sich zu beruhigen und in die Normalität überzugehen.
Für mich waren meine Kollegen eine der wichtigsten Aspekte auf Arbeit. Am schönsten waren auf Arbeit die Ausflüge, d.h. Raus und Zeit mit meinen Schützlingen verbringen. Wenn keine Schule war, zum Beispiel an Wochenenden oder in den Ferien, sind wir oft mit dem Bus ins Umland gefahren oder haben was zum Picknicken mitgenommen und sind in den benachbarten Wald gegangen, um da zu spazieren und Spaß zu haben. In solchen Momenten fühlte ich mich wie eine glückliche Heldin in einem guten Film. Besonders gefallen hat mir der Freiwilligendienst an Feiertagen (von denen es in Deutschland viele gibt), denn die Deutschen feiern ganz anders als wir, es war interessant diese Kultur von der Seite kennenzulernen.
Was das Alltägliche und die Pflege bei der Arbeit angeht: Also Duschen, Umziehen und so weiter – da dachte ich anfangs, das schaffe ich nicht. Aber dann wurde es schnell so zur Gewöhnung, dass ich bald gar nicht mehr merkte, wie oft es gemacht werden musste. Außerdem sind die Schützlinge meistens so nett, und es war immer spaßig das Alles mit ihnen zu machen.